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21.11.2018

Verbote für Strohhalme und Wattestäbchen

Cocktails mit Plastikröhrchen und Picknicken mit Einwegbesteck dürften in der EU schon bald der Vergangenheit angehören. Das EU-Parlament hat einem entsprechenden Vorschlag angenommen.

Weltweit werden grosse Mengen an Kunststoff genutzt und anschliessend – oft nach nur einmaligem Gebrauch – weggeworfen. Nur knapp ein Drittel des Plastikmülls wird nach Angaben der EU-Kommission eingesammelt und wiederverwertet. Ein Grossteil des Rests landet auf Müllkippen oder in der Umwelt. Plastik zerfällt dann sehr langsam und häuft sich besonders im Meer und an Stränden an. Bis zu 85 Prozent aller in der EU angespülten Abfälle sind aus Kunststoff – dabei handelt es sich in etwa der Hälfte der Fälle um Einwegprodukte.

Für Vögel, Fische und andere Meerestiere ist Plastik eine grosse Gefahr. Sie fressen es oder verheddern sich darin. Plastikspuren in Fischen gelangen auch auf Teller von Menschen. Die EU-Kommission und der Umweltausschuss im Parlament hat eine Reihe an Massnahmen vorgeschlagen, um Plastikmüll einzudämmen. Der entsprechende Richtlinien-Entwurf wurde von den Abgeordneten in Strassburg mit grosser Mehrheit angenommen. Für Verbraucher am meisten spürbar dürften die geplanten Verbote von Wegwerf-Produkten sein, die nur einmal benutzt werden, darunter Strohhalme, Plastikgeschirr- und besteck, sowie Wattestäbchen und Ballonhalter. Verbannt werden sollen nur Gegenstände, für die es aus Sicht der EU-Kommission bereits Alternativen gibt. Als Ersatz für Plastik-Trinkhalme kommen zum Beispiel solche aus Papier oder wiederverwendbare aus hartem Kunststoff in Frage.
Ein weiteres Ziel ist die Reduktion von Zigarettenabfall. In den Filtern ist oft Kunststoff enthalten, ein einziger Stummel kann bis zu 1000 Liter Wasser verschmutzen. Die Müllmenge aus plastikhaltigen Zigarettenfiltern soll bis 2030 um 80% sinken.

Die EU-Staaten sollen Minderungsziele einführen für solche Plastikprodukte, die nicht ohne weiteres durch andere Materialien ersetzt werden können. Dies sind vor allem Behälter für Lebensmittel, zum Beispiel Boxen für Sandwiches oder Verpackungen für Früchte, Gemüse oder Desserts. Alle Mitgliedstaaten sollen zudem bis 2025 den Verbrauch anderer Einweg-Produkte wie Plastikbecher um einen Viertel senken, zum Beispiel über Preiserhöhungen oder Werbung für Alternativen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen hierfür nun einen Kompromiss finden.

Ein weiterer Ansatz, der vorgeschlagen wurde, ist die Aufklärung der Verbraucher. Dazu sollen künftig auf viele Verpackungen Hinweise stehen: Zur richtigen Entsorgung und zu den potenziellen Schäden, die das Produkt anrichten könnte, wenn es in der Umwelt landet. Zum Beispiel könnten Verbraucher künftig per Schild darum gebeten werden, keine Luftballons mehr aufsteigen zu lassen.
Dieses konkrete Beispiel lehnt der CDU-Abgeordnete Peter Liese aber ab. Luftballons würden statistisch einen nicht messbaren Anteil an der Verschmutzung der Weltmeere ausmachen. Darum meint er: „Ich find es deshalb unverhältnismässig, wenn wir den Menschen, insbesondere den Kindern, den Spass verderben.“

Eine weitere vorgeschlagene Massnahme soll die Kostenbeteiligung der Hersteller für Säuberungsarbeiten sein. Bisher kommt meist der Steuerzahler oder die Tourismusbranche für diese Tätigkeit auf. Die Hersteller von Fischnetzen mit Plastikkomponenten sollen ebenfalls für die Entsorgung zur Kasse gebeten werden.

Greenpeace sieht einen gravierenden Mangel in den Vorschlägen. Die Definition von Einwegplastik sei viel zu eng, kritisiert Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack. Damit öffne sich ein Schlupfloch für die Plastikindustrie: „Die Konzerne könnten nach dem Vorschlag die Reduktionsziele schlicht ignorieren, wenn sie ihre Produkte, sei es ein Wegwerf-Plastikbecher oder ein Strohhalm, als wiederverwendbar kennzeichnen.“
Ähnlich fordern die Grünen nach der Zustimmung des EU-Parlaments weitere Schritte. Das könne nur der Anfang sein, sagte Parteichef Robert Habeck der Deutschen Presse-Agentur. „Um den Verbrauch von Plastik zu reduzieren, brauchen wir eine radikale Kursänderung.“ Er fordert, dass all in der EU in Verkehr gebrachten Kunststoffprodukte bis 2030 wiederverwendbar oder komplett abbaubar sind, oder kosteneffizient recycelt werden können. Dafür braucht es seiner Ansicht nach eine Plastiksteuer auf die Wegwerfprodukte und ein Mikroplastik-Verbot in Kosmetika.

Anderer Meinung ist die Plastikindustrie, die zum Vorschlag der EU-Kommission vor Schnellschüssen gewarnt hat. Hier würden wichtige Gesetze durchgepeitscht, ohne die Folgen abzuschätzen, erklärte der europäische Verpackungsverband pack2go. Es drohten Einbussen im Lebensmittel-Sektor oder Probleme bei der Lebensmittelhygiene, wenn der Plastikverbrauch drastisch gesenkt werden. Bislang nutzten Millionen von Europäern täglich Verpackungen für Essen oder Getränke zum Mitnehmen, betonte der Verband.

Quelle: http://www.chemie.de/news/1158062/kommen-verbote-fuer-strohhalme-und-wattestaebchen.html?WT.mc_id=ca0259
http://www.chemie.de/news/1158077/eu-plaene-zum-plastik-koennen-nur-der-anfang-sein.html?WT.mc_id=ca0259