BMUB als Gastgeber des 8. Int. Nano-Behördendialogs
Am 14. und 15. Mai trafen sich Vertreter von Ministerien, Behörden und Forschungsinstituten in Berlin, um sich auf Einladung des BMUB über das Schwerpunktthema „Nano und Umwelt“ auszutauschen. Der Internationale Nano-Behördendialog findet alljährlich und turnusmäßig in den deutschsprachigen Ländern statt und wird jeweils von der Innovationsgesellschaft, St.Gallen organisiert und moderiert. Er dient dem Austausch über die neuesten regulatorischen Entwicklungen rund um das Thema Nanomaterialien.
(Berlin / St. Gallen, 19. Mai 2014)
Am 14. / 15. Mai 2014 trafen sich Vertreterinnen und Vertreter von Ministerien, Behörden und Forschungsinstituten aus Deutschland, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz auf Einladung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) in Berlin zum 8. Internationalen Nano-Behördendialog. Das diesjährige Kernthema lautete „Nano und Umwelt“ und beinhaltete einen Erfahrungsaustausch zu den Themen Marktdaten/Anwendungen von Nanomaterialien, Stoffflüsse, Verhalten in den einzelnen Kompartimenten (Luft, Wasser, Sediment, Boden) sowie Prüfung/Risikobeurteilung und daraus folgende Regulierungsansätze.
Der Nano-Behördendialog ist eine alljährlich stattfindende Dialog-Plattform der Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsschutzbehörden sowie Wissenschaftlern aus dem deutschsprachigen Raum. Ziel ist der informelle, grenzüberschreitende Informations- und Erfahrungsaustausch zu aktuellen Themen rund um die Nano-Governance. Die Plattform wird seit 2008 im Auftrag der Behörden von der Innovationsgesellschaft, St. Gallen organisiert und moderiert.
Marktübersicht und Umweltverhalten von Nanomaterialien
Martin Möller (Öko-Institut, Freiburg) präsentierte zu Beginn eine Übersicht über aktuelle Marktdaten zu Nanomaterialien. Das weltweite Handelsvolumen beträgt je nach Schätzungen bereits gegen 20 Mrd. US-Dollar und nimmt stetig zu; immer mehr (Konsum-)Produkte mit Nanomaterialien sind auf dem Markt erhältlich. Aufgrund der fehlenden Deklaration von Nanomaterialien in Produkten herrscht immer noch eine sehr schlechte Markttransparenz. Bei der Umweltexposition werden die Fragen, welche Mengen und welche Arten von Nanomaterialien in die Umwelt gelangen, immer dringlicher. Es stellt sich auch die Frage wie sich die Nanomaterialien dort verhalten und welche Wirkungen sie dort haben. Gleichzeitig betonte Martin Möller aber auch das Potential der Nanomaterialien für Umweltentlastungseffekte, denen vermehrt Rechnung getragen werden sollte.
Aufschluss sowohl über das Umweltverhalten als auch über das Umweltentlastungspotential können beispielsweise Ökobilanzen liefern, erklärte Prof. Arnim von Gleich (Universität Bremen) in seinem Referat. Entscheidend sei aber, dass die Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus der Produkte erfolge und dass eine toxikologische Risikoabschätzung in die Bewertung einbezogen werde. Allerdings erschweren große Datenlücken die Erstellung solcher Bewertungen. Aus Sicht des BMUB ist deshalb mehr Markttransparenz, z.B. durch Schaffung eines europäischen Nanoproduktregisters, erforderlich.
Dr. Hubert Rauscher (EU-Kommission, Joint Research Centre, Ispra) erläuterte in seinem Referat an zwei konkreten Beispielen mögliche Ansätze und offene Fragen zur Gruppierung von Nanomaterialien. Nanomaterialien kommen häufig in verschiedenen (chemischen) Formen und Größen vor, sind oft oberflächenbeschichtet und unterscheiden sich dann in ihren Anwendungseigenschaften und in ihrem Umweltverhalten. Sinnvolle Zusammenfassungen bei der Registrierung nach REACH sollen deshalb den Aufwand für Hersteller und Behörden mindern. Wie eine solche Gruppierung erfolgen könnte, ist derzeit allerdings noch unklar.
Dr. Kathrin Schwirn (Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau) gewährte eine Übersicht über die Herausforderungen und Wissenslücken bei der ökotoxikologischen Risikobeurteilung. Nanomaterialien unterscheiden sich in ihrer Wirkung auf Umweltorganismen von konventionellen, gröberen Materialien. Ihre Untersuchung in Prüfverfahren bedarf besonderer Vorkehrungen beispielsweise hinsichtlich der Dispersion. Die OECD fördert den internationalen Austausch zu regulatorischen Ansätzen für Nanomaterialien und erarbeitet Empfehlungen und Instrumente zur Risikobeurteilung. Dabei konzipiert sie auch Testrichtlinien, die auf Nanomaterialien anwendbar sind.
Nanomaterialien in den verschiedenen Umweltkompartimenten
Bei der Messung von Nanomaterialien in der Luft sei eine abgrenzende Darstellung der zu erfassenden Staubfraktion von anderen gesundheitsrelevanten Stäuben erforderlich, gab Dr. Dirk Dahmann vom Institut für Gefahrstoff-Forschung der Universität Bochum zu bedenken. Dabei sei zu diskutieren, welche Analysengröße zur angemessenen toxikologischen Bewertung von Nanomaterialien herangezogen werden sollte. Neuere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Partikeloberfläche als Analysengröße wohl besser geeignet ist als die Masse oder Partikelanzahl.
Dr. Frank von der Kammer (Universität Wien) stellte den aktuellen Wissensstand zum Verhalten von Nanomaterialien in Wasser, Sediment und Boden dar. Viele Nanomaterialien neigen dazu, zu agglomerieren bzw. zu aggregieren und an Sediment- und Bodenpartikel anzuhaften und sind in der Konsequenz nicht mehr bio-verfügbar. Großer Forschungsbedarf besteht jedoch hinsichtlich des Verhaltens von Nanomaterialien in Deponien, wo ein großer Teil der Nanomaterialien entsorgt wird, und hinsichtlich der Verfahren bei der Messung von Heteroagglomeraten.
Internationale Regulierung
Abschließend stellte Prof. Dr. Thomas Cottier (World Trade Institute der Universität Bern) das Thema in einen internationalen Kontext. Unter anderem diskutierte er die handelsrechtliche Verträglichkeit von vorsorglichen Kennzeichnungen und Produktdeklarationen im Licht der Verträge der Welthandelsorganisation (WTO) und aktueller Diskussionen über Freihandelsabkommen. Regulatorische Maßnahmen sind unter besagten Verträgen erlaubt, jedoch ist dabei immer die Verhältnismäßigkeit sicherzustellen und die Inländergleichbehandlung - explizit auch de facto -einzuhalten.
Die Vorträge und Diskussionen des diesjährigen Nano-Behördendialogs machten deutlich, dass es immer noch viele offene Fragen im Zusammenhang mit Nanomaterialien in der Umwelt und in Konsumprodukten gibt. Vor diesem Hintergrund drängen sich Lösungen nicht nur auf nationaler, sondern auch auf globaler Ebene auf. Wie diese aussehen könnten und welche Organisation dazu geeignet wäre, ist derzeit allerdings noch offen. Der grenzüberschreitende Dialog zwischen Behörden stellt ein wichtiges Instrument zur gemeinsamen Problemlösung dar und wird fortgesetzt. Der 9. Internationale Behördendialog wird im Frühjahr 2015 auf Einladung des liechtensteinischen Amtes für Umwelt in Vaduz stattfinden.
Kontakt und weitere Informationen:
Die Innovationsgesellschaft, St. Gallen
Dr. Christoph Meili
Lerchenfeldstr. 5
CH-9014 St. Gallen
Tel: +41 71 278 02 06