Informationstransfer, Nachverfolgbarkeit und Produkteregister bei Nanoprodukten – 5. Int. Nano-Behördendialog in Berlin
Am 3. und 4. Mai 2011 trafen sich Vertreter von Ministerien, Behörden, Industrie, Wissenschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein und diskutierten auf Einladung des deutschen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Rahmen des 5. Internationalen Nano-Behördendialogs aktuelle Entwicklungen im Bereich der Governance von Nanotechnologien. Im Vordergrund standen die Ergebnisse der NanoKommission Deutschland 2009-2011 sowie Entwicklungen im Bereich der Regulierung, Registrierung und Informationsweitergabe auf nationaler und internationaler Ebene der am Behördendialog teilnehmenden Länder. Der Behördendialog wird seit 2008 durch die Innovationsgesellschaft, St.Gallen, in Zusammenarbeit mit deutschsprachigen Behörden und Ministerien im Bereich Umwelt und Gesundheit organisiert.
Deutschland als Gastgeberland des 5. Int. Nano-Behördendialogs
Hubert Steinkemper, Ministerialdirektor beim deutschen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, begrüsste die Teilnehmenden des 5. Behördendialogs und betonte, dass insbesondere Fragen um regulatorische Instrumente in der Governance von Nanotechnologien mit der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung von Nanotechnologien eine wichtige Rolle einnehmen würden. Um die Sicherheit für Mensch und Umwelt zu gewährleisten und auf der anderen Seite Innovationen zu ermöglichen, stelle der Dialog unter den Behörden und mit Vertreterinnen und Vertretern von Unternehmen und Verbänden nach dem mittlerweile etablierten Modell des Nano-Behördendialogs eine gute Möglichkeit für einen informellen und unbürokratischen Austausch dar.
Die Teilnehmenden diskutierten darauf die Rolle des Stakeholder-Dialogs am Beispiel der Ergebnisse der NanoKommission Deutschland 2009-2011. Der Stakeholder-Dialog trage dazu bei, dass sich verschiedene Interessengruppen in einer frühen Phase mit der Thematik auseinandersetzten und austauschten. Der Stakeholder-Dialog kann damit als Frühwarnsystem verstanden werden, um die Folgen verschiedener Handlungsoptionen besser bewerten zu können. Unterschiedlich bewertet wurde die Frage, wie verpflichtend die Ergebnisse von Stakeholder-Dialogen sind, und welchen Einfluss sie in der konkreten (regulatorischen) Praxis haben sollten.
Die Arbeiten der NanoKommission hätten mitunter dazu beigetragen, dass die Nanotechnologie nicht als Risikotechnologie stigmatisiert wird. Dennoch sehen die Teilnehmenden des Behördendialogs in Zukunft eine besondere Herausforderung darin, im Dialog bei der Gefährdungsbewertung der nun zunehmend zu erwartenden wissenschaftlichen Daten zwischen Experten und Interessengruppen einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Nano-Produkteregister als Instrument der Governance
Anhand verschiedener Beiträge wurde diskutiert, in welcher Form und Ausprägung unterschiedliche Instrumente der Governance von Nanomaterialien und Nanoprodukten zur Schaffung von Transparenz über Nanomaterialien in Verbraucherprodukten dienen könnten. Dies waren insbesondere ein Nanomaterialien-Register und ein Nanoprodukte-Register sowie die Vor- und Nachteile einer Kennzeichnung für Nanomaterialien in Verbraucherprodukten.
Während sich das Interesse der Verbraucher in erster Linie auf eine Entscheidungsfreiheit beim Kauf beziehe, müssen die Behörden im Bedarfs- respektive Gefährdungsfall schnellstmöglich und angemessen reagieren können. Die mit diesen Informationsbedürfnissen verbundenen Fragen der Zugänglichkeit der Daten über Nanomaterialien in Produkten wurden im Hinblick auf die folgenden Möglichkeiten kontrovers diskutiert:
- ein geschlossenes Behörden-Register, welches von den Behörden im Fall einer Gefährdung zur Rückverfolgung oder für Expositionsschätzungen eingesetzt würde,
- ein öffentlich zugängliches Nanoprodukte-Register, sowie
- eine „einfache“ Kennzeichnung von Nanomaterialien auf Verbraucherprodukten.
Informationen zum Vorhandensein bestimmter Inhaltsstoffe in einem Produkt und Informationen zu allfälligen gefährlichen Eigenschaften dieser Inhaltsstoffe sind zwei getrennte Informationsziele. Einerseits wurde argumentiert, dass ein Nanoprodukte-Register zwar Transparenz schaffe, es aber nicht alle gegenwärtigen Unsicherheiten in der Gefährdungsbewertung zu beseitigen vermöge. Demnach solle mit einem Nanoprodukte-Register auch keine Gefahrenkennzeichnung speziell für „nano“ etabliert werden. Als wichtige Voraussetzung für ein mögliches Nanoprodukte-Register müsste aber zumindest eine Definition des Begriffs „Nanomaterial“ vorhanden sein – eine solche wird derzeit von der Europäischen Kommission erarbeitet und soll im Herbst vorliegen.
Aber auch eine reine Deklaration von „nano“ könnte zu einer Stigmatisierung von Nanotechnologien führen. Mit einer Deklaration alleine wäre – bei der gegenwärtigen Datenlage – die Identifikation potentiell gefährlicher Produkte ebenfalls nicht gewährleistet. Weiter sei es fraglich, wie die Verbraucher eine Nano-Deklaration über alle Produktsektoren hinweg interpretieren würden. Bei Lebensmitteln werden gegenwärtig nämlich alle Inhaltsstoffe deklariert, während im Chemikalienbereich eine Deklaration als Gefährdungshinweis zu verstehen ist.
Ein Nanoprodukte-Register könnte auch als Übergangslösung gesehen werden. Als Behörden-Register (die Daten wären nicht öffentlich zugänglich) könnte es als Vorsorgeinstrument während dem Zeitraum dienen, in dem grosse Unsicherheiten bei der Gefährdungsbewertung gesehen werden. Im Schadenfall können genaue Informationen zur Rezeptur eines Produkts bereitgestellt und die Rückverfolgbarkeit sichergestellt werden.