Kann Nanotechnologie verletzte Nerven neu verbinden?
Im ByAxon-Projekt wird ein Implantat entwickelt, das die Übertragung elektrischer Signale bei Verletzungen des zentralen Nervensystems wiederherstellen soll.
Laut Angaben der WHO erleiden jedes Jahr weltweit bis zu einer halben Million Menschen eine Verletzung am Rückenmark, meist aufgrund eines Unfalls oder Gewalteinwirkung. Die Folge ist ein Verlust von motorischen Fähigkeiten oder sogar Lähmung und somit ein starker Verlust an Lebensqualität. Betroffene bedürfen besonderer Pflege und Behandlung über viele Jahre. Eine Rückenmarksverletzung korreliert zudem positiv mit einer tieferen Schulungsrate und niedriger wirtschaftlicher Partizipation und birgt für Individuen auch grosse soziale Kosten.
Für die Behandlung solcher Verletzungen sind heute sperrige Maschinen mit vielen Kabeln als Interface zwischen Hirn und Computer notwendig, die leider nur bedingt in der Lage sind, motorische Fähigkeiten wiederherzustellen. Andere Methoden zur Abbildung der Gehirnaktivität, zum Beispiel die Magnetenzephalographie, benötigen sehr grosse Maschinen und bedingen speziell tief temperierte Arbeitsbedingungen.
Im Januar 2017 wurde ein vierjähriges EU-Projekt gestartet, mit dem Ziel, die Lebensqualität für Patienten mit Rückenmarksverletzungen zu verbessern. Dafür wird im ByAxon genannten Projekt versucht, neue Behandlungsmethoden, nämlich Implantate zur Wiederherstellung sensorischer Funktionen, zu entwickeln. Das Projekt umfasst ein Konsortium aus Forschenden diverser Länder (Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland) und wird vom europäischen Future and Emerging Technologies Programme finanziert.
Dr. Teresa Gonzalez, welche an der Koordination des Projekts mitwirkt, erklärt, dass der Fokus darauf liege, die sensorischen Funktionen wiederherzustellen. „Wir wollen Signale, die an den Extremitäten anfangen und zurück zum Hirn gelangen. Das ist besonders wichtig, weil gezeigt wurde, dass diejenigen Therapien, welche diese sensorischen Teile so schnell wie möglich wiederherstellen auch mehr Erfolg bringen für den motorischen Teil.“
Die neuen nanotechnologischen Implantate werden „nanowire-coate electrodes“ genannt und fungieren als eine neurale Schnittstelle, die mit Sensoren verbunden sind, welche wiederum die magnetischen Signale von Nervenzellen lesen können. Andere Nanomaterialien, zum Beispiel Carbon Nanotubes, könnten zudem als Stützgerüst für Nervenzellen dienen und die Weiterleitung von Signalen über die verletzte Stelle im Rückenmark ermöglichen. Die CNTs würden also eine Art aktiver Bypass darstellen. Die neuronalen Prothesen könnten auch Prozesse der Neuroplastizität unterstützen und damit einen Beitrag zur Wiederherstellung neuronaler Aktivitäten im Rückenmark leisten.
Wenn ByAxon von Erfolg gekrönt wird, könnte das Projekt sehr grosse medizinische und soziale Fortschritte bringen. Nebst der Wiederherstellung der sensorischen Funktionen bei Patienten mit Rückenmarksverletzungen könnte die Technologie auch als Grundlage für andere Anwendungen dienen. Neurale Schnittstellen könnten bspw. Vorteile für Netzhautimplantate, Aufzeichnungen von Gehirnströmen bei Epilepsie-Patienten und Simulationen von Prozessen im Tiefenhirn für die Parkinson-Krankheit bringen. Die Sensoren könnten auch ausserhalb der Medizin Verwendung finden, in Schaltstellen zwischen Hirn und Maschinen im Alltagsgebrauch. So wäre es denkbar, dass Computer, Drohnen oder Roboter in Zukunft und dank dieser Technologie mit nur unseren Gedanken, durch drahtlose Übertragung, gesteuert werden.
Erfahren Sie mehr zum ByAxon Projekt in diesem Video.
Quelle: http://www.fetfx.eu/story/can-nanotechnology-rewire-injured-spinal-cord/