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17.08.2020

Mit Nanotechnologien gegen das Coronavirus – und andere Viren?

Eine neue Studie beleuchtet, wie Nanotechnologien in Prävention, Diagnose und Behandlung zur Anwendung kommen und so die jetzige und mögliche künftige Pandemien bekämpfen könnte.

Eine erfolgreiche Bekämpfung von Infektionskrankheiten erfolgt an drei Fronten: Prävention, Diagnose und Behandlung. Einige Nanomaterialien sind bekannt für ihre antimikrobielle Wirkung und in einigen Fällen sogar für die Bekämpfung von Viren. Wie kann Nanotechnologie also genutzt werden, um die weitere Verbreitung des zurzeit grassierenden Coronavirus zu verlangsamen oder gar zu stoppen? Und welche nanotechnologischen Anwendungen könnten wertvoll sein, um zukünftigen Pandemien zu begegnen? Diese Fragen beleuchten ein internationales Team in einem kürzlich veröffentlichen Paper in der Zeitschrift ACS Nano.

Test-Regime vereinfachen

Die Wichtigkeit des Testens ist unter Experten unbestritten. Nur so ist es möglich, positive Fälle zu isolieren und die weitere Verbreitung damit zu verhindern. Aus einigen Studien (bspw. Studie der Uni Genf - Seroprevalence of anti-SARS-CoV-2 IgG antibodies in Geneva, Switzerland (SEROCoV-POP): a population-based study) lässt sich mittlerweile schätzen, dass sich in der Schweiz zwischen 250'000 und 400'000 Personen infiziert haben, doch nur durch Tests können solche Zahlen bestätigt werden. Test werden mittel Nasen-Rachen-Abstrich durchgeführt. Die genommene Probe wird anschliessend durch eine so genannte Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) auf RNA-Fragmente untersucht, die spezifisch für SARS-CoV-2 sind. Eine mögliche nanotechnologische Alternative sind Gold-Nanopartikel. Diese können mit Antikörpern versehen werden, welche wiederum virale Antigene binden. Erfolgt diese Anbindung, sammeln sich die Gold-Nanopartikel an, was zu einer Farbänderung von rot zu blau führt. Ein solcher Test wäre verhältnismässig günstig und liefert schneller Resultate als das momentane Testverfahren, da dieses in einem Labor ausgewertet werden muss. Ein solches Test-Regime könnte insbesondere in ärmeren Ländern enorm nützlich sein. Eine ebenfalls schnellere und günstigere Test-Alternative sind graphenbasierte Feldeffekt-Transistoren, Biosensoren mit Antikörpern, welche an die charakteristischen Spike-Proteine des SARS-CoV-2 binden.

Zwar gibt es zahlreiche weitere Methoden, die durchaus in Frage kommen, doch die Autoren weisen, darauf hin, dass die nanotechnologische Diagnostik noch in ihren Kinderschuhen steckt. Die momentane Pandemie bringt aber möglicherweise wichtige Erkenntnisse und Fortschritte auf diesem Gebiet, die sich in Zukunft als wichtig erweisen könnten.

Nanomedizin zur Behandlung

Im Vergleich zu einem bakteriellen Effekt, den man (im Normalfall) mit Antibiotika behandeln kann, hat das Coronavirus offengelegt, dass kein antivirales Breitband-Mittel existiert. Das Paper beleuchtet verschiedene mögliche Interventionsstrategien, darunter die verbesserte Wirkstoffabgabe im Lungengewebe oder das Verhindern des Andockens des Coronavirus an die sogenannten ACE2-Rezeptoren. Nanopartikel scheinen besonders geeignet für das Eindringen bis tief in die Alveolen der Lungen, gerade weil sie so klein sind. Dies müsste allerdings in der Form von Aerosolen erfolgen, was eine starke Verdünnung der eigentlich wirksamen Stoffe bedeutet und somit die Effektivität mindert.

In einer Grosszahl der schweren Verläufe von COVID-19 wurde eine besonders starke Reaktion des Immunsystems beobachtet. Zwar ist eine angemessene Immunreaktion natürlich erwünscht und wirksam im Kampf des Körpers gegen unerwünschte Eindringlinge, bei weitem nicht nur Viren. Es kann jedoch auch zu einer überproportionalen Antwort des Immunsystems kommen, in der zu viele Stoffe ausgeschüttet werden oder diese Reaktion über längere Zeit anhält. Das Phänomen wird im Fachjargon als «Cytokine Storm» bezeichnet und kann mitunter zu starken Schäden am eigenen Körper führen. Die Bedeutung solcher unkontrollierten Immunantworten wurde in der jüngeren Vergangenheit erkannt und wird entsprechend intensiv erforscht. Nanotechnologie könnte auch an diesem wichtigen Hebel ansetzen, um den Krankheitsverlauf zu lindern, beispielsweise durch die effiziente Abgabe von Immunosuppressiva durch Nanocarriers, was in reduzierten Dosen und organspezifischer Verteilung der Wirkstoffe resultiert. Hiervon erhofft man sich nebst dem effizienteren Gebrauch von Medikamenten auch weniger unerwünschte Nebenwirkungen.

Prävention an ungewohnter Stelle

Prävention sollte eigentlich an erster Stelle stehen. Ob und wie die Zoonose hätte verhindert werden können, ist jedoch eine andere Frage und so bedeutet Prävention im Falle einer bereits andauernden Pandemie die Verhinderung des weiteren Verbreitens. Modifizierte Oberflächen bieten hier eine vielversprechende Möglichkeit. Metallische Nanopartikel aus bspw. Kupfer geben nämlich Ionen ab, die wiederum antivirale Wirkung zeigen können. Selbstreinigende oder sogar -desinfizierende Oberflächen sind eine vergleichsweise alte und bekannte nanotechnologische Anwendung und rücken somit wieder etwas an die Front.

Nanotechnologie kann auch durch Anwendung in Schutzausrüstung die Verbreitung des Virus verhindern, zum Beispiel durch die Inaktivierung von Viren oder anderen Mikroben oder durch Nanofasern in Schutzmasken, welche mit hoher Effizienz filtern und mehrfach verwendet werden können, ohne dass sie ihre Funktionalität verlieren.

Nanosilber-Masken sind nicht zu empfehlen

Es sind seit Kurzem auch Schutzmasken erhältlich, die mit Nanosilber versetzt sind, ein Stoff mit bekannter antibakterieller Wirkung. Ob die Silber-Ionen, die freigesetzt werden, auch gegen Viren wirksam sind, ist jedoch noch zu wenig bekannt. Dem begrenzten Nutzen dieser Masken stehen mögliche negative Effekte durch die Inhalation dieser Partikel gegenüber. Aufgrund mangelnder Daten ist eine abschliessende Risikobewertung zu diesem Thema noch nicht möglich. Entsprechend hat das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einer aktuellen Stellungnahme von der Verwendung von nanoskaligem Silber in verbrauchernahen Produkten abgeraten – ganz nach dem Vorsorgeprinzip.

Autor: Alex von Wyl

Weiterführende Informationen: Fragen und Antworten des BfR zum neuartigen Coronavirus
Quellen: ACS Nano - Toward Nanotechnology-Enabled Approaches against the COVID-19 Pandemic
DAZ online - Nanosilber in Alltagsmasken: BfR warnt vor ungeklärten Risiken