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24.05.2016

Nano-Behördendialog in Bern diskutiert wissenschaftliche Erkenntnisse als Grundlage für die Regulierung

Der 10. Int. Nano-Behördendialog fand am 18. und 19. Mai 2016 auf Einladung des Schweizerischen Bundesamtes für Umwelt (Bafu) in Bern statt. Fast sechzig Vertreter aus Ministerien, Behörden, Forschungsinstituten und Unternehmen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein befassten sich mit dem Thema "Governance und Regulierung von Nanomaterialien". Angeregt durch spannende Inputreferate wurde die Bedeutung von wissenschaftlichen Erkenntnissen als Grundlage für neue Regularien diskutiert. In einem ersten Block wurde ein Überblick über den Stand nationaler und internationaler Forschungsprojekte gegeben. Anschliessend wurden Resultate ausgewählter Forschungsergebnisse präsentiert. Anknüpfend wurden aktuelle Regulierungen, und Entwicklungen im Lichte dieser Forschungsergebnisse diskutiert. Anschliessend wurden die Sicht von Industrie, KMUs und NGOs ins Zentrum gerückt. Zum Schluss der Tagung überarbeiteten die Teilnehmer das Grundlagendokument der „Nano Roadmap 2020“ aus dem letztjährigen Behördendialog in Vaduz. Dabei wurde deutlich, dass Forschungsergebnisse eine zentrale Grundlage für Regulatoren sind. Gleichzeitig besteht in vielen Bereichen, wie z.B. der Anpassung von REACH an Nanomaterialien, nach wie vor grosser Handlungsbedarf.

Nano-Behördendialog auf Einladung des Schweizer Bundesamtes für Umwelt

Thomas Göttin, Präsident des Berner Stadtrats und Kommunikationschef des Bafu, begrüsste zusammen mit Martin Schiess, Abteilungsleiter Chemikalien des Bafu, die über 50 Teilnehmenden aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Liechtenstein und dem erstmals teilnehmenden Luxemburg. Dabei betonten beide die zentrale Bedeutung des grenzüberschreitenden Dialogs der Akteure und des Informationsaustauschs für eine nachhaltige und sichere Entwicklung und Nutzung der Nanotechnologie. Christoph Meili von der Innovationsgesellschaft, St. Gallen präsentierte in einem kurzen Rückblick die ersten 10 Jahre des Nano-Behördendialogs und stellte das Tagungsprogramm vor. In einer kurzen „Tour-de-Table-Runde“ stellten die Behörden der teilnehmenden Länder ihre aktuellen Projekte und Arbeitsschwerpunkte dar. Dabei wurde deutlich, dass in allen beteiligten Ländern sowohl im Bereich der Forschung als auch der Kommunikation verschiedenste Aktivitäten laufen.

Referate zu Ergebnissen aus wissenschaftlichen Forschungsprojekten aus dem NFP 64

Prof. Peter Gehr stellte als Präsident des Nationalen Forschungsprojekts (NFP 64) „Chancen und Risiken der Nanotechnologie“ die Projektstruktur und Inhalte des NFP 64 vor. Das NFP 64, welches derzeit vor dem Abschluss steht, umfasst 23 einzelne Forschungsprojekte welche in insgesamt fünf Modulen (Biomedizin, Umwelt, Nahrungsmittel, Baumaterialien und Energie) die Chancen und Risiken von künstlichen Nanomaterialien entlang des Life Cycles untersuchen. Derzeit wird ein Synthesebericht vorbereitet, welcher die Ergebnisse der verschiedenen Projekte im Überblick darstellen wird. In drei kurzen Referaten wurden stellvertretend einzelne Forschungsergebnisse präsentiert. Dr. Hans-Peter Kohler von der EAWAG zeigte, dass sich Carbon-Nanotubes biologisch praktisch nicht abbauen lassen und eine Halbwertszeit von 80 Jahren aufweisen. Professor Meike Mevissen von der Vetsuisse Fakultät Bern untersuchte die Verträglichkeit abbaubaren Nano-Implantaten im Gehirn und Dr. Hans Winkler von der Universität Zürich stellte die Ergebnisse einer Studie zur Interaktion von Siliciumdioxid Nanopartikeln aus Lebensmitteln mit Zellen des Immunsystems vor. Er wies dabei auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Nanopartikeln aus der Nahrung und dem erhöhten Auftreten von entzündlichen Darmerkrankungen hin. Hier besteht allerdings noch grosser Forschungsbedarf.

Projekte mit Relevanz für die Regulierung

In einem zweiten Block wurden verschiedene internationale Projekte mit Relevanz für die Regulierung von Nanomaterialien vorgestellt. Den Einstig machte Professor Thomas Kuhlbusch vom Institut für Energie- und Umwelttechnik (IUTA), der ausgewählte Ergebnisse von nanoEHS-Projekten im Hinblick auf regulatorische Fragenstellungen präsentierte. Sein Fazit war, dass alle Aspekte der Nanoumwelt-, -gesundheits- und -sicherheitsforschung untersucht werden bzw. wurden und, dass einige Aspekte im regulatorischen Kontext aufgegriffen werden sollten. Von besonderer Bedeutung ist die Entwicklung einheitlicher Testmethoden. Bob Diderich, Head der OECD Environmental Health and Safety Divison, gab einen Überblick über die Ergebnisse verschiedener OECD Aktivitäten und deren Auswirkungen auf Projekte und Regulierungen. Während die Mehrheit der OECD-Prüfrichtlinien für Nanomaterialien geeignet sind, müssen einige angepasst werden. Dr. Klaus Steinhäuser stellte das ProSafe Projekt vor. Eines der Ziele von ProSafe ist die Erstellung eines Reviews, in dem Experten beurteilen sollen, welche Forschungsergebnisse von regulatorischem Nutzen sein können. Den Abschluss dieses Vortragblocks bildete Karl Höhener (TEMAS) mit der Präsentation ausgewählter Projekteergebnisse des NANoREG-Projekts.

 

Zweiter Tag: Industrie- und NGO Perspektiven

Im dritten Vortragsblock am 19 Mai präsentierten drei Vertreter der Industrie, KMUs und NGOs ihre Sichtweise zum Thema wissenschaftliche Erkenntnisse als Grundlage für die Regulation von Nanomaterialien. Den Begin machte Dr. Karin Wiench vom BASF. Der Fokus ihrer Präsentation lag auf regulationsrelevanten Forschungsprojekten der Industrie. Sie machte deutlich, dass die mehr als 10 Jahre Sicherheitsforschung mit Nanomaterialien gezeigt haben, dass vorrangig die Substanzeigenschaften und nicht die Partikelgröße die Toxizität bestimmen. Mark McKay (HeiQ) gab einen Einblick in die Sicherheitsforschung eines Startups im Textilbereich. Er zeigte am Beispiel von Nanosilber die verschiedenen technischen, bürokratischen und finanziellen Herausforderungen von Registrierungsprozessen aus der Sicht einer KMU. In einem abschließenden Beitrag legte Laura Gross, von der Verbraucher Initiative e. V. Berlin, die Erwartungen einer NGO an die Industrie und die Regulatoren dar. Sie zeigte verschiedene Wege auf, wie das Regulationssystem aus ihrer Sicht in Zukunft verbessert werden könnte.

Synthese

In einem abschließenden Block wurde in Arbeitsgruppen über regulatorische Handlungsmöglichkeiten vor dem Hintergrund der aktuellen Forschungsergebnisse diskutiert. Die Arbeitsgruppen ergänzten und aktualisierten die „Nano Roadmap 2020“ des letztjährigen Behördendialogs in Vaduz. Dabei wurden im Bereich des Umwelt-, des Verbraucher- als auch des Konsumentenschutzes klarer Handlungsbedarf identifiziert. So wurde neben weiteren Massnahmen für den Umweltbereich beispielsweise eine rasche Überführung der OECD-Testrichtlinien in die REACH-Verordnung und damit eine rasche Anpassung einer zentralen, regulatorischen Grundlage an Nanomaterialien vorgeschlagen. Beim Verbraucherschutz stehen Massnahmen bei der Kennzeichnung, der Kommunikation und der Regulierung im Vordergrund. Im Bereich des Arbeitsschutzes soll angesichts der Verbreitung von Nanomaterialien nicht auf abschliessende wissenschaftliche Ergebnisse und Definitionen gewartet, sondern bei bekannten Eigenschaften und Materialien begonnen werden. Zentral ist die objektive Bewertung auf der Grundlage von nanospezifischen Daten, Methoden und Instrumenten. Im Fokus sollen in erster Linie Arbeitnehmende stehen, welche mit kritischen Partikeln bzw. über kritische Expositionspfade exponiert sind. In einer anschliessenden Plenumsdiskussion wurden die Erkenntnisse der verschiedenen Arbeitsgruppen ausgewertet und mit den Ergebnissen der Nano Roadmap 2020 aus dem Behördendialog 2015 in Vaduz verknüpft. Die weiterentwickelte „Nano-Roadmap 2020“ dient als Diskussions- und Handlungsleitfaden für den nächsten Behördendialog 2017.

Terminankündigung

Der 11. Internationale Nano-Behördendialog findet im Mai/Juni 2017 auf Einladung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in Wien statt.

Kontakt & weitere Informationen:

Dr. Christoph Meili, Die Innovationsgesellschaft, St. Gallen

Tel. +41 71 278 02 06

christoph.meili@innovationsgesellschaft.ch