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17.08.2020

Nanokomposite auf Polymerbasis - Ermöglichung von Innovation, Ressourceneffizienz und Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels

Eine auf der EUON-Website veröffentlichte "Nanopinion" von Dr. Sabine Lindner von PlasticsEurope Deutschland wirft ein interessantes Licht auf die Rolle von Nanopartikeln in Kunststoffen für Lebensmittelverpackungen, wie mit möglichen Risiken umgegangen wird und welche Lücken noch offen sind, um Innovationen in der Nanotech-Industrie voranzutreiben und zu unterstützen.

Die Kunststoffindustrie in Europa ist ein pulsierender Sektor, der zur Verbesserung unserer Lebensqualität beiträgt, indem er Innovationen ermöglicht, Ressourceneffizienz erleichtert und den Klimaschutz fördert.

Wenn man darüber nachdenkt, wie nanoskalige Partikel, die Kunststoffmatrices zugesetzt werden, die Eigenschaften von Produkten verbessern können, fallen einem viele Beispiele ein - zum Beispiel die elektrischen oder thermischen Eigenschaften von elektrostatischen Verpackungen für Mikrochips, elektrostatische Beschichtungen, Solarzellen, Batterien, modifizierte Lithium-Ionen-Batterien oder gedruckte Elektronik.

Nanoskalige Partikel können auch die mechanische Belastbarkeit von verstärkten Kunststoffen erhöhen, die für den Bau von leichteren Autos und Flugzeugen oder für die Flügel und Windturbinen verwendet werden.

Darüber hinaus werden sie modernen Kunststoffverpackungen beigefügt, um deren Materialeigenschaften - z.B. thermische Stabilität, Barriereeigenschaften, UV-Schutz - zu verbessern.

Kunststoffverpackungen spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Frische von Lebensmitteln zu gewährleisten, ihre Haltbarkeit zu verlängern und dazu beizutragen, die Qualität der Produkte für die Verbraucher zu verbessern. Jüngsten Daten zufolge gehen etwa 20% der in der EU produzierten Lebensmittel verloren oder werden verschwendet. Kunststoffverpackungen können dazu beitragen, Lebensmittel zunehmend zugänglich, sicher und erschwinglich zu machen.

Bei allen Verpackungen migrieren Stoffe in Lebensmittel

Migration findet immer dann statt, wenn Verpackungen - gleich welcher Art - mit Lebensmitteln in Kontakt kommen. Es ist ein natürlicher physikalischer Prozess. Der springende Punkt ist, dass das Ausmaß der Migration sicher ist.

Die EU-Verordnung 10/2011 über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, lässt einige von ihnen als Additive für Kunststoffe in Lebensmittelkontakt mit bestimmten Anforderungen zu. Zusatzstoffe sind wie Gewürze in einem Kochrezept.

Nanopartikel werden absichtlich in die Kunststoffmatrix eingearbeitet. Aber bleiben sie auch unter realen Einsatzbedingungen fest in den Kunststoff-Verpackungsmaterialien gebunden?

Bevor wir diese Frage beantworten und um besser zu verstehen, was reale Einsatzbedingungen bedeuten, sollten wir an unser tägliches Leben denken. Reale Nutzungsbedingungen bedeuten, dass man keine wiederverwendbare Plastikschüssel in den Ofen stellt, um sein Essen aufzuwärmen, da sie nicht für den Gebrauch bei hohen Temperaturen vorgesehen ist, es sei denn, dies ist auf dem Produkt ausdrücklich angegeben.

Kunststoffe werden rigoros getestet, um sicherzustellen, dass Migration - wenn überhaupt - sicher ist.

Die Prüfbedingungen sind rechtlich spezifiziert und müssen von allen Akteuren, die Prüfungen in der Wertschöpfungskette durchführen (von Rohstoff- und Verpackungsherstellern bis hin zu Lebensmittelverpackern), angewendet werden. Die Tests werden auf mehreren Stufen der Wertschöpfungskette durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Kunststoffprobe für die Endanwendung geeignet ist.

PlasticsEurope hat zusammen mit Cefic-FCA - der Sektorgruppe Lebensmittelzusatzstoffe des Chemieverbands CEFIC - und dem Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) untersucht, ob Nanopartikel aus Kunststoffverpackungen in das verpackte Lebensmittel migrieren können.

Bei der Migrationsprüfung ist es sinnvoll, zwei Arten von Nanopartikeln anhand ihrer morphologischen Struktur zu unterscheiden: lamellare (flache) Nano-Tonerden und (quasi-) sphärische Partikel (z.B. Silber- oder Titannitrid). Temperatur- und zeitabhängige Experimente wurden im Polymer (LDPE) durchgeführt.

Drei Kunststoff-Nanokomposite, die das Nanomaterial Silber, Titannitrid und Laponit enthielten, wurden auf das Potenzial zur Freisetzung von Nanopartikeln unter Stressbedingungen in Lebensmittelsimulantien untersucht.  (Lebensmittelsimulantien - wie gesetzlich vorgeschrieben (z.B. Olivenöl) - imitieren die Eigenschaften verschiedener Lebensmittelarten unter typischen/ungünstigen Bedingungen – Anm. d. Red.)

Die Ergebnisse der Studie kommen zu dem Schluss, dass Laponit nicht in Lebensmittel migriert, sobald es in eine Polymermatrix eingebaut ist.

Während Laponit lamellare Typen von Nanopartikeln darstellt, könnte ein anderer Versuchsaufbau zeigen, dass auch kugelförmige Typen von Nanopartikeln, wie z.B. Silbernanopartikel in einer LDPE (Low-Density Polyethylen)-Kunststoffmatrix, nicht migrieren können.

Zusammengefasst haben die Studien gezeigt, dass Nanopartikel, die vollständig in der Wirtspolymermatrix eingekapselt sind, kein Migrationspotential in Lebensmittel haben und Verbraucher daher nicht mit Nanopartikeln aus Lebensmittelkontaktpolymeren in Kontakt kommen, wenn diese vollständig in das Polymer eingebettet sind und die Kontaktoberfläche nicht durch mechanische Oberflächenbelastung während der Anwendung verändert wird.

Allianzen bilden um Grenzen zu überwinden

Neben der Unterstützung von Forschungsaktivitäten ist PlasticsEurope auch in der Zusammenarbeit mit verschiedenen Interessengruppen aktiv.

Ein Beispiel ist der internationale Nano-Behördendialog.

Die Regierungsdialoge drehen sich um die Angemessenheit der Regulierung von Nanomaterialien im Bereich des Gesundheits- und Umweltschutzes. Seit einigen Jahren nehmen Vertreter von europäischen Behörden an den Diskussionen teil, z.B. haben das Europäische Nano-Observatorium (EUON) und das Gemeinsame Forschungszentrum der Europäischen Kommission (GFS) ihre Arbeit vorgestellt. Auf internationaler Ebene wurden die Aktivitäten der OECD in Bezug auf Testprotokolle für Nanomaterialien diskutiert.

Dieser Behördendialog begann bereits im Jahr 2006 und findet einmal jährlich statt. Er ist ein Element der engen Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich und der Schweiz. Ziel der Zusammenarbeit ist es, die nachhaltige Entwicklung im Bereich der Nanotechnologien zu beobachten, zu reflektieren und gegebenenfalls durch Stakeholder-Aktivitäten zu unterstützen.

Ein weiteres Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist die Teilnahme am Beirat des RiskGone-Projekts, das im Februar 2019 gestartet wurde.

RiskGONE ist ein H2020-Projekt der EU, das darauf abzielt, solide Verfahren für eine wissenschaftsbasierte Risikobeherrschung von Nanomaterialien bereitzustellen, die auf einem klaren Verständnis von Risiken und Risikomanagementpraktiken basieren. Es wird es der Europäischen Union ermöglichen, das wirtschaftliche und soziale Potenzial von technisch hergestellten Nanomaterialien und Nanotechnologien umfassend zu nutzen. Ein erster kritischer Schritt ist die Bereitstellung eines integrierten wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Entscheidungsrahmens für die Risikobeherrschung von technisch hergestellten Nanomaterialien.

Trotz der bedeutenden Fortschritte, die in der Forschung zur Sicherheit von technisch hergestellten Nanomaterialien und der Übertragung dieses Wissens in die Normung und Regulierung erzielt wurden, besteht nach wie vor ein dringender Bedarf, die wissenschaftliche Grundlage für die Bewertung der Risiken von technisch hergestellten Nanomaterialien zu schaffen, um die Nanotechnologieindustrien, die Regulierungsbehörden und die Risikobewerter mit klaren und benutzerfreundlichen Verfahren für die Risikobewertung, das Risikomanagement und den Risikotransfer zu unterstützen; mit anderen Worten, für die Risikobeherrschung und -akzeptanz auf der Grundlage standardisierter Methoden.

Dieser Wissenstransfer ist von entscheidender Bedeutung, um eine robuste und zuverlässige Methodik für die Risikobewertung von technisch hergestellten Nanomaterialien mit Hilfe von Entscheidungsfindungsinstrumenten zu implementieren, die in verschiedenen Industriesektoren anwendbar sind und die Risikokommunikation an relevante Interessengruppen wie Industrie, Regulierungsbehörden, Versicherungsgesellschaften, Organisationen der Zivilgesellschaft und die allgemeine Öffentlichkeit erleichtern.

Quelle: EUON - Polymer-based nanocomposites – enabling innovation, resource efficiency and helping to fight climate change