Nanotechnologie: Investment-Hype und Terrorziel
Nanotechnologie ist Versprechen und Fluch zugleich: Als Projektion für Zukunftsvisionen und Anlegerträume, und als Ziel für fundamental-ökologisch motivierte Bombenanschläge. Tatsache ist: Nanotechnologie ist Alltag.
Das Bundesgericht in Bellinzona verurteilt am Freitag drei Angeklagte, die einen Anschlag auf das IBM-Nanotechnologiezentrum in Rüschlikon geplant hatten – aus einer radikalen ökologischen Grundhaltung heraus. Das Anschlagsziel ist vielleicht überraschend, nicht aber das Motiv. Forschungen und Entwicklungen, die Veränderungen und die Schaffung neuer molekularer Strukturen beinhalten, wecken seit eh und je Misstrauen und Ablehnung in der Gesellschaft. Nanotechnologie, die sich mit Teilchen beschäftigt, deren Kleinheit sich jeder Vorstellung entzieht, macht da keine Ausnahme.
Ganz anders die Finanzwelt: Wo sich eine gute Zukunftsstory verkaufen lässt, sind die Investoren und Anleger nicht weit. Dabei war die Nanotechnologie, als sie Ende des vergangenen Jahrtausends erstmals in Medien beschrieben wurde, eher eine Art Nebenprodukt der Fantasien um die „New Economy“ gewesen, die sich dann im Platzen der Internet-Bubble entluden.
Nanotechnologie habe mehr Potenzial als das Internet, hiess es schon, als das Internet die Finanzmärkte noch weltweit blendete. Man träumte beispielsweise von mikroskopisch kleinen Robotern, zusammengesetzt aus smarten Atomstrukturen, die Brücken bauen würden.
Anlagemöglichkeiten waren rar: Nanotechnologie war etwas für Venture-Kapital-Fonds - kleiner Fokus, hohes Risiko. Mit dem Platzen der IT-Bubble gingen auch diese Fonds ein. Aber das Thema blieb heiss: Fortschritte in der Nanotechnologie könnten für den nächsten Bullenmarkt sorgen, klang es aus Researchabteilungen.
Die Interdisziplinarität der Nanotechnologie würde für den grossen Multiplikator sorgen: Nanostrukturen waren und sind in allen möglichen Branchen anwendbar, von der Textilindustrie über Maschinenbau bis zur Medizinal- und Halbleitertechnik. 2005 konnte man das zukünftige Marktpotenzial dann quantifizieren: Nanotech-Produkte für rund 1 Billion Dollar würden ab 2015 auf dem Markt angeboten.
Schweiz ist Nano-Land
Heute wird der Markt auf gut 100 Milliarden Dollar geschätzt. Aber er soll bis 2015 nun immerhin auf knapp 400 Milliarden anwachsen. Die Schweiz als Forschungsstandort spielt in dieser Entwicklung eine prägende Rolle. In keinem Land werden mehr Nano-Patente angemeldet als in der Schweiz, gemessen an der Bevölkerungszahl.
Geforscht und entwickelt wird in Basel am Swiss Nanoscience Institute, in den Laboren von BASF, Clariant, Lonza und den grossen Pharma-Konzernen Novartis und Roche. Die ETH Zürich ist Partnerin des IBM-Zentrums, geforscht wird auch an der EMPA, im Paul Scherrer Institut und in der Westschweiz in Genf, Freiburg und Neuenburg. Der Bund steuert Millionen bei.
Die Risiken und Gefahren der Nanotechnologie, insbesondere die Möglichkeit der Schädigung von Atemwegen und Organen durch die Kleinstpartikel, werden dabei ernst genommen. Wobei die Risiken noch weitgehend unerforscht und tatsächliche Folgeschäden unbekannt sind.
Für Startups ein kapitalintensives Pflaster
Während sich die Schweiz als Nano-Forschungscluster etabliert, sind die Anlagemöglichkeiten für Investoren nicht viel besser geworden. Das hat zwei Gründe: Reine Nanotech-Unternehmen, die über den Status des Startup hinausgewachsen sind, sind rar. Und Startup-Unternehmen, die sich ausschliesslich auf Nanotechnologie fokussiert haben, sind ebenfalls eher dünn gestreut.
Risikokapital sucht sich lieber Branchen aus, in denen mit weniger Kapitaleinsatz schneller Produkte zur Marktreife entwickelt werden können. Die Forschung wird darum von grossen Konzernen betrieben.
Eine Handvoll Nanotech-Aktien gibt es aber. Harris & Harris ist beispielsweise ein börsenkotierter Risikokapitalgeber. Im laufenden Jahr steht die Aktie mit über 22 Prozent im Plus. Die auf Präzisionsanwendungen spezialisierte Jenoptik steht 2011 auch nicht schlecht da. Wer vor der Finanzkrise bereits investiert war, hat aber heftige Verluste erlitten.
Als Beimischung kann man Nanotechnologie auch in der Schweiz haben: Beispielsweise ABB, Comet, Oerlikon und Tecan sind auf dem Gebiet tätig und entwickeln Anwendungen. SGS als Prüfkonzern hat sich bereits auf das Testen und Zertifizieren von nanohaltigen Produkten spezialisiert. Die Zukunfts-Technologie ist daran, sich in den Wirtschaftszyklus zu integrieren.
Quelle: Cash.ch