Seit 2005

05.11.2008

Schweizer Ökotoxzentrum hat Betrieb aufgenommen

Mit einer Fachveranstaltung zum Thema Nanopartikel in der Umwelt ist heute in Dübendorf das schweizerische Zentrum für angewandte Oekotoxikologie eingeweiht worden. Die vom Wasserforschungsinstitut Eawag und der ETH-Lausanne getragene Institution stärkt im Auftrag des Bundes die unabhängige Forschung, Beratung und Weiterbildung im Bereich Oekotoxikologie. Erste Projekte sind bereits angelaufen. Die Veranstaltung hat zudem gezeigt, wie das Zentrum als Drehscheibe zur Vernetzung von Experten aus Wissenschaft und Praxis dienen kann.

«Immer mehr und in immer kürzeren Abständen werden Chemikalien eingesetzt, über deren Effekte in der Umwelt wir wenig bis gar nichts wissen. Das Oekotoxzentrum füllt eine Lücke», sagt Nationalrätin Maya Graf. Bund, Kantone und die Öffentlichkeit, aber auch die chemische Industrie seien auf eine unabhängige Stelle angewiesen, welche aufzeige, wie Umweltrisiken von Chemikalien erkannt, beurteilt und minimiert werden können. Graf hat 2002 mit einer Motion zur Toxikologieforschung in der Schweiz dazu beigetragen, dass Bundesrat und Parlament dem ETH-Bereich 2007 den Aufbau eines solchen Zentrums übertragen haben.

Richard Gamma, Vizedirektor der Schweizerischen Gesellschaft für die chemische Industrie (SGCI) bezeichnet das Oekotoxzentrum als Bereicherung: «Für die chemisch-pharmazeutische Industrie ist eine hochstehende, auf solider Forschungstätigkeit beruhende, aber dennoch praxisgerechte Aus- und Weiterbildung enorm wichtig», sagt er. Ein unabhängiges Zentrum biete der Industrie und den Behörden kompetente Ansprechpartner und könne gegenüber der Öffentlichkeit eine höhere Glaubwürdigkeit aufbauen, als dies der Industrie im Alleingang möglich wäre.

Forschen, beraten, vernetzen

Erste Projekte gestartet«Wir wollen Probleme mit Chemikalien in der Umwelt früh erkennen und zu deren Lösung beitragen» sagt die Biologin Almut Gerhardt, welche das Zentrum leitet. Gerhardt ist Expertin für Umwelttests. Unter anderem hat sie Verfahren entwickelt zur integralen Überwachung der Wasserqualität in Flüssen und Bächen. Wo Lücken sind, werden am Oekotoxzentrum eigene Tests und Auswertungsmethoden aufgebaut. Bestehende Ansätze werden weiterentwickelt, zum Beispiel für die Messung hormonaktiver Substanzen in Gewässern oder für die Bewertung von verseuchten Böden. Ebenso wichtig wie die eigene Forschung, so Gerhardt, sei die Drehscheibenfunktion des Oekotoxzentrums. Ein Netz zwischen Praxis und Wissenschaft sowie Herstellern und Anwendern soll national und international den Dialog über die aktuellen Erkenntnisse in der Ökotoxikologie fördern. Dazu tragen auch eine Expertendatenbank bei oder die Mitarbeit in Fachgremien. Besonderes Gewicht legt Gerhardt auf die Aus- und Weiterbildung von Fachleuten. Eine Seminarreihe ist bereits angelaufen.

Erste Projekte hat das Oekotoxzentrum schon aufgenommen. So wird zurzeit ein Test für hormonaktive Substanzen in Fliessgewässern optimiert. Zusammen mit dem Bundesamt für Umwelt wird dabei ermittelt, wie erfolgreich eine zusätzliche Reinigungsstufe in Kläranlagen solche Stoffe entfernt oder ihr toxisches Potential verringert. In Kooperation mit kantonalen Labors, Behörden und Fachstellen prüft das Oekotoxzentrum, welche Stoffe aus Epoxidharzen freigesetzt werden und ob diese toxisch wirken. Epoxidharze werden zur Innenbeschichtung von undichten Leitungen eingesetzt. Im Bereich Bodenökotoxikologie leistet das Oekotoxzentrum wichtige Aufbauarbeit. Die bisher von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD validierten Tests mit Regenwürmern oder Springschwänzen sind häufig noch zeitaufwändig und teuer, so dass sie in der Praxis kaum genutzt werden.

Nanopartikel im Fokus

Schwerpunkt des Fachteils am Eröffnungsanlass für das Oekotoxzentrum bildeten die Nanopartikel. Diese Winzlinge (1 Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter) werden in immer mehr Produkten eingebaut, von Farben über schmutzabweisende Materialbeschichtungen bis zu Kosmetika. Allein die Zahl der Produkte, die mit der Wirkung von Silbernanopartikeln werben, hat sich in den letzten zwei Jahren verzehnfacht. Es gibt Socken und Unterwäsche mit Silbernanopartikeln oder Waschmittel und Lebensmittelverpackungen. Klar ist, dass die Nanomaterialien in die Umwelt gelangen und nicht einfach in ihre Bestandteile aufgelöst werden. Das haben neueste Untersuchungen der Abteilungen Siedlungswasserwirtschaft und Umwelttoxikologie an der Eawag gezeigt. So werden z.B. Silbernanopartikel in Fassadenfarben eingebaut, um die Flächen vor Algen- und Pilzbefall zu schützen. Diese Partikel werden aber mit dem Regen ausgewaschen. Ihre in den Materialien erwünschte antimikrobielle Wirkung kann dann in der Umwelt zur Belastung werden: Eine soeben in der Fachzeitschrift Environmental Science and Technology publizierte Studie der Eawag weist nach, dass Silbernanopartikel auf Algen sogar toxischer wirken als gelöste Silberionen, und zwar schon in sehr geringen Konzentrationen. Das ist möglicherweise nicht nur in natürlichen Gewässern problematisch, sondern auch in Kläranlagen, wo Nanosilber die mikrobiellen Abbauvorgänge und damit die Reinigungsleistung hemmen könnte. «Wir werden die Forschung zur Toxizität von Nanopartikeln intensiv verfolgen und zielgerichtet mit eigenen Untersuchungen ergänzen», sagt daher die Leiterin des Oekotoxzentrums Almut Gerhardt.

Das Ökotoxzentrum

Der Hauptsitz des Ökotoxzentrums befindet sich an der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, in Dübendorf. Der zweite Standort, mit Schwerpunkt terrestrische Ökotoxikologie, ist an der EPF in Lausanne angesiedelt. Namentlich für spezielle Forschungsaufgaben und Laboranalytik arbeitet das Zentrum eng mit diesen zwei Trägerorganisationen zusammen. Die Geschäftsleitung besteht aus der Leiterin Almut Gerhardt, sowie je einem Delegierten der Eawag-Direktion und des EPFL-Präsidiums. Das Team bilden 5 wissenschaftliche und 2 technische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den eigenen Labors, sowie Administratorinnen in Teilzeit. Neben den vom Bund finanzierten Grundleistungen (2 Mio. CHF pro Jahr) kann das Zentrum verrechenbare Aufträge annehmen, die nicht in Konkurrenz mit der Privatwirtschaft stehen. Parallel zum Oekotoxzentrum soll nach dem Willen des Parlaments auch ein schweizerisches Zentrum für angewandte Humantoxikologie entstehen. Wo dieses angesiedelt wird, ist zurzeit noch offen.

Quelle und weitere Informationen: Eawag