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21.11.2018

Stolpersteine auf dem Weg für Graphen

Graphen ist der „Shooting-Star“ unter den Nanomaterialien. Die Hoffnungen in technische Anwendungen sind gross. Die Qualitäts-Untersuchungen für Graphenproben aus aller Welt waren allerdings ernüchternd. Dies könnte die Erfolgsstory von Graphen bremsen.

Für die Studie wurde Graphenproben von 60 Produzenten aus aller Welt eingekauft und mittels einem systematischen und robusten Protokoll, entwickelt von den Autoren der Studie, untersucht. Die Qualität wurde mit fünf verschiedenen Analytikverfahren untersucht: Lichtmikroskopie um die Form der Graphen-Flocken zu identifizieren; Rasterkraftmikroskopie um die Dicke der Graphen-Säulen zu messen; Raman-Spektroskopie, welche Information zur strukturellen Unversehrtheit der Proben liefert, sowie die Präsenz von Graphen-Oxid und reduziertem Graphen-Oxid anzeigt; Röntgenphotoelektronenspektroskopie um Kohlenstoffgehalt (Reinheit) zu messen; sowie Raster- und Transmissionselektronenmikroskopie um die Morphologie der Proben zu bestimmen.

Die Ergebnisse wurden in Advanced Materials veröffentlicht und zeigen ernüchternde Ergebnisse: „Die Qualität des heute in der Welt produzierten Graphens ist mangelhaft, nicht optimal für die meisten Anwendungen und die Mehrheit der produzierenden Firmen machen eigentlich Graphit-Mikroplättchen. Dies könnte möglicherweise der Hauptgrund sein für die langsamen Fortschritte von Graphen-Anwendungen, weil normalerweise ein spezifischer Standard erreicht werden muss, wenn es um die Eigenschaften dieses Materials geht. […] Unsere umfangreichen Abklärungen zur weltweiten Graphen-Produktion deuten darauf hin, dass es eigentlich kein Graphen auf dem Markt gibt, das die ISO-definierten Kriterien für hohe Qualität erfüllt.

Nach genauerer Betrachtung zeichnen sich Bereiche ab, welche die Qualitätsprobleme erklären. Erstens haben die Forscher eine grosse Anzahl Proben einkaufen können, die als Graphen gekennzeichnet sind, aber eigentlich als Graphen-Oxid oder reduziertes Graphen-Oxid vorliegen. Zweitens hat die Analyse zum Kohlenstoffgehalt ergeben, dass eine erhebliche Menge der Proben Verunreinigungen und einen tiefen Kohlenstoffgehalt aufweisen. Solche Verunreinigungen haben viele mögliche Ursachen, stammen aber mit grosser Wahrscheinlichkeit von Chemikalien, die zur Produktion verwendet werden. Verunreinigung betrifft auch die Anzahl sp2-Bindungen. Die Forscher berichten, keine Probe gefunden zu haben, die mehr als 60% sp2-Bindungen aufweist. Kristallines Graphen weist 100% dieser sp2-Bindungen auf.

Die primäre Methode zur kommerziellen Graphen-Produktion ist die so genannte „liquid-phase exfoliation“ (LPE). Sie basiert auf dem Fakt, dass Graphit ein Material ist, welches aus einzelnen Graphen-Kristallen aufgebaut ist, die aufeinander geschichtet liegen. Der LPE-Prozess beginnt mit dem Mahlen von Graphit in ein Pulver. Anschliessend werden die Partikel durch mechanische Kräfte in einer Flüssigkeit in kleine Flocken separiert. Diejenigen Flocken mit Graphit werden dann ausgeschieden.

Die Autoren der Studie schlagen nun vor, dass es zwingend nötig sei, strenge Kriterien für Graphen-Charakterisierung und -Produktion festzulegen, damit ein gesunder und verlässlicher Markt für Graphen entsteht. Die Kriterien müssten die physikalischen Eigenschaften von Graphen, aber auch die Voraussetzung für die beabsichtigte Verwendung in Betracht ziehen, schlagen die Autoren vor. Verschiedene Anwendungen setzen nämlich andere Klassen von Graphen voraus: “In Verbundwerkstoffen zum Beispiel, wird die beste Leistung mit grossen Flocken mit einer Dicke von zwei bis drei Einzelschichten erreicht. Gleichzeitig werden die besten Elektroden in neurologischen Applikationen aus monoschichtigen Flocken hergestellt, usw. Wir stellen uns vor, dass jede Anwendung eine Feinabstimmung der Eigenschaften des Graphen-Materials (bezüglich Dicke und Grössenverteilung, Basisfläche und Funktionalisierung der Ränder) voraussetzen würde.

Auf die Studie reagiert hat der dänische Professor Peter Bøggild. Er gibt zu bedenken, dass in der Studie nicht alle Arten von Bulk-Graphen, die auf dem Markt sind, untersucht wurden. „Die Autoren haben zwar eine beeindruckende Anzahl an LPE-basierten Produkten analysiert, aber sie hätten mögliche Vorwürfe von Befangenheit vorbeugen können, indem sie die Kriterien offenlegen, die sie zur Selektion der analysierten Produkte gewählt haben.“ Er erwähnt zudem, dass die Autoren möglicherweise hochstehendes Graphen, das von einigen wenigen Produzenten hergestellt wird, unabsichtlich nicht miteinbezogen haben. Verschiedene Anwendungen machen sich unterschiedliche Eigenschaften von Graphen zunutze, was die Autoren erwähnen – das macht es aber auch schwieriger, eine universelle Messgrösse für Qualität festzulegen. „Nichtsdestotrotz ist diese Forschungsarbeit ein zeitgerechtes und ambitioniertes Beispiel für die gründliche Einstellung, die nötig ist, um schnellen Fortschritt zu erzielen, nicht nur in der Forschung zu Graphen, sondern zu allen Nanomaterialien, die in den Markt vorstossen sollen. Kurz gesagt – es gibt keine hohe Qualität ohne Kontrolle.”

Quelle: https://www.nanowerk.com/spotlight/spotid=51233.php
https://www.nature.com/articles/d41586-018-06939-4

Originalartikel (EN): https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/adma.201803784