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17.12.2020

Der 14. Internationale Nano-Behördendialog fand auf Einladung des Liechtensteinischen Amtes für Umwelt statt

Am 12. und 13. November 2020 fand auf Einladung des Liechtensteinischen Amtes für Umwelt der 14. internationale Nano-Behördendialog statt. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die jährlich stattfindende Konferenz der deutschsprachigen Behörden virtuell durchgeführt. Als Hauptthema standen dabei neuartige Materialien, auch «Advanced Materials» genannt, im Fokus. Neben zahlreichen Referaten und intensiven Diskussionen wurde die «Nano-Roadmap 2025», ein Rahmendokument des Behördendialogs weiterentwickelt und aktualisiert.

Neue Materialien frühzeitig in den Blick nehmen

Die Konferenz wurde von Stefan Hassler, dem Leiter des Amtes für Umwelt eröffnet. Liechtenstein war im Jahr 2020 bereits zum dritten Mal Gastgeber dieser internationalen Konferenz an welcher rund sechzig Vertreterinnen und Vertreter von deutschsprachigen Behörden, Unternehmen, NGO und Forschungseinrichtungen teilnahmen. Stefan Hassler führte aus, dass neuartigen Materialien sowohl für Behörden als auch für die anderen Akteure von grosser Wichtigkeit seien. Einerseits, weil diese Materialien eine wichtige Voraussetzung für technische Entwicklungen und Innovationen sind. Auf der anderen Seite müsse man sich proaktiv auch mit möglichen Risiken solcher Materialien beschäftigen. Dafür sei dieser Internationale Nano-Behördendialog eine ausgezeichnete Plattform. Er bedankte sich bei allen Teilnehmenden für das grosse Interesse und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass man sich beim nächsten Treffen in der Schweiz dann wieder physisch begegnen werde.

Neue (Nano-)Materialien und neuartige Herstellungsverfahren

Im Keynote-Referat zu neuen (Nano-)Materialien und neuartigen Herstellungsverfahren hat Abdelqader Sumrein von der ECHA die EUON-Studie zu Nanomaterialien der zweiten und höheren Generationen vorgestellt und deren Resultate präsentiert. Das Konzept der «höheren Generationen» ist demnach eingeführt worden, um das Potenzial der Nanotechnologie hervorzuheben. Die Studie schliesst, dass aufgrund der zunehmenden Komplexität von und Kombination aus organischen und anorganischen Komponenten in neuartigen Materialien neue Leitdokumente gegebenenfalls angebracht wären. Mit der grundlegenden Aussage «Graphen ist nicht gleich Graphen» erläuterte Peter Wick von der EMPA, dass die Bezeichnung «Graphen» ungenau ist, weil es eine Vielzahl verschiedener Formen gibt, welche als «Graphene-related-Materials» (GRMs) bezeichnet werden. Dies kann zu Missverständnissen im Dialog zwischen Wissenschaft, Industrie und Behörden führen. Im «Graphene Flagship-Projekt», einem Europäischen Forschungsprojekt, wurde deshalb ein hilfreiches Klassifizierungsraster für GRMs entwickelt.

Die additive Fertigung (AM) wird von Experten als ein neuartiges Herstellungsverfahren mit grossem Potential betrachtet. Steffen Scholz vom KIT stellte in seinem Referat das DIMAP-Projekt vor, in welchem der Stand der Technik von additiver Fertigung unter anderem durch NM-verstärkten Druckfarben untersucht wird. Im Rahmen des Projekts wurde ein interessanter «Safe-by-Design»-Ansatz durchgeführt. Adriaan Spierings von der Inspire AG und Christoph Bosshard von der SUVA beleuchteten in einem Tandemreferat die additive Fertigung aus Sicht der Industrie und des Arbeitsschutzes. Dabei zeichne sich bereits ein erheblicher Bedarf nach praxisgerechten Informationen und industriell umsetzbaren, einfachen Richtlinien und Handlungshilfen für Anwender, insbesondere für KMU, ab.

Arbeitsschutz und Umsetzung von Safety-by-Design Konzepten

Im nächsten Teil wies Rolf Packroff von der BAuA auf Herausforderungen für den Arbeitsschutz bezüglich rigider CNTs und brüchiger Materialien, die Stäube mit kritischer Morphologie freisetzen, hin. Ein Asbest-ähnliches Beispiel dafür sind pechbasierte grafitische Carbonfasern. Für solche «gefährlichen chemischen Arbeitsstoffe» sind zwar entsprechende Schutzmassnahmen vorgesehen, aber es besteht keine Verpflichtung zur Informationsweitergabe in der Lieferkette. Zusätzlich fehlen faserspezifische Prüf-, Bewertungs- und Informations-anforderungen. Andreas Falk von BioNanoNet beleuchtete in seinem Referat die zunehmende Bedeutung des «Safety-by-Design» Konzepts (SdB) bei der Anwendung neuer Materialien und insbesondere auch die SbD-Ansätze in Europäischen Forschungsvorhaben.

Regulatorische Aspekte von Advanced Materials und Nanomaterialien höherer Ordnung

Thomas Kuhlbusch von der deutschen Bundesanstalt für Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin (BAuA) präsentierte das NanoHarmony-Projekt zur Erstellung von acht neuen Testmethoden, in Zusammenarbeit mit der ECHA, der Malta Initiative, der OECD Working Party on Manufactured Nanomaterials und Nanomaterial-Herstellern. Zudem soll im Rahmen des Projekts eine langfristige Zusammenarbeit durch das Netzwerk entstehen, damit in Zukunft Testrichtlinien schnell und zielgerichtet erarbeitet oder angepasst werden können.

Das REFINE-Projekt und das daraus entstandene White-Paper wurde von Matthias Rösslein von der EMPA vorgestellt. Das Paper fasst die wichtigsten regulatorischen Erfordernisse der Nanomedizin zusammen und hebt die Herausforderungen bei der Regulierung hervor.

Ebenfalls zum Thema Nanomedizin referierte Beat Flühmann von Vifor Pharma und vermittelte die Perspektive eines Herstellers. Die Charakterisierung Ihrer Produkte, Non-Biological Complex Drugs (NBCD), ist komplex und schwierig, da das gesamte Produkt als aktive Substanz gewertet wird. So bestehen einige Hürden auf dem Weg zur Zulassung. Dies gilt auch für Nanosimilars und deren Gleichwertigkeitsnachweis, da schon kleine Änderungen im Herstellungsprozess die Charakteristika des nanomedizinischen Produkts verändern können.

End-of-Life-Management von Advanced (Nano-)Materials

Manuela Kienegger vom Österreichischen AIT stellte die Studie «NanoCycle» vor, in der untersucht wird, ob und wie Nanomaterialien (NM) in Kunststoffen am Beispiel von PET den Recyclingprozess beeinflussen oder gar beeinträchtigen können. Die Mengen von NM in Kunststoff-Abfallströmen sind unbekannt, jedoch schätzen Betreiber von Recyclinganlagen die Mengen als relativ gering ein. Zudem wurden bisher keine negativen Auswirkungen auf die Prozesse oder Rezyklate festgestellt. Zur Exposition gegenüber NM in der Abfall- und Recyclingwirtschaft ist wenig bekannt, es sei jedoch davon auszugehen, dass die Freisetzung aus Polymermatrizen sehr gering sei.

In der Umweltrisikoabschätzung von NM sind in den vergangenen zehn Jahren grosse Fortschritte erzielt worden, wie Bernd Nowack von der EMPA berichtete. Mit seiner Forschungsgruppe hat er insbesondere die Modellierung von Stoffflüssen und von Freisetzungen vorangetrieben. Konkret präsentierte er die Möglichkeit der dynamischen und prospektiven Modellierung sowie der Berücksichtigung von verschiedenen Nanoformen in den Abschätzungen. Diese Methoden sind auch für die Modellierung von Flüssen von neuartigen (Nano-)Materialien interessant.

Andrea Haase präsentierte das Projekt InnoMat.Life, das sich drei neuartigen, noch wenig untersuchten Materialklassen zuwendet. Das übergeordnete Ziel ist die Etablierung von Gruppierungsansätzen und zugehörigen Kriterien, so dass auch neuartige bzw. komplexere Materialien hinsichtlich ihrer Gefährdungs- und Risikopotenziale gruppiert und beurteilt werden können, was die Anpassung bzw. Etablierung von entsprechenden experimentellen Testmethoden einschließt. Erste Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass mithilfe von ausgewählten Materialien Gruppierungsansätze für innovative bzw. komplexere Materialien etabliert werden können.

Den Schluss der Präsentationsreihe machte Tobias Walser von Vereala GmbH aus Zürich. Er erläuterte die Neuerungen im Schweizerischen Vorsorgeraster und wies auf das 2021 anstehende Update des Tools hin. Synthetische Nanomaterialien können in die Kategorie Advanced Materials fallen. Das Schweizer Vorsorgeraster könnte sich auch für die Gefährdungsbeurteilung von Advanced Materials eignen. Es müsste allerdings entsprechend angepasst werden. Passend zum Abschluss hielt er fest, dass ein generelles Verständnis zu Advanced Materials wichtiger sei, als eine exakte Definition, da ein grosses und heterogenes Spektrum an Materialien unter den Begriff fallen.

Ausblick

Trotz der Umstellung auf ein Online-Format war die Resonanz der Teilnehmenden durchwegs positiv. Neben den spannenden Referaten gab es auch anregende Diskussionen und die «Nano-Roadmap 2025» wurde diskutiert und aktualisiert. Obschon in etwas begrenzter Form, ist der 14. Internationale Nano-Behördendialog erfolgreich nach dem Motto «Lieber am Dialog festhalten, statt am Händeschütteln» zu Ende gegangen. Der nächste Behördendialog soll in der Schweiz stattfinden – hoffentlich wieder in Persona.